Wozu eine neue Zeitung? Und von wem?

„Schulz‘ Befunde über die immer auswegloser erscheinende Existenz- und Legitimationskrise, in die der Journalismus durch das Internet gestürzt wurde, lesen sich wie eine Autopsie, während der Autopsierte sich noch einbildet, am Leben zu sein.“

Peter Praschel hat als einer der ersten mein Buch gelesen und er hat den Widerspruch umschifft. Ja, um den Autopsierten müssen wir uns sorgen, wie vielen ihm Ähnlichen ist es um ihn längst geschehen. Aber er hat trauernde, noch lange leidende Hinterbliebene und wenigstens die wollen wissen, wie es dazu kam, was sie nicht mehr ändern können. Und trotzdem, ganz am Ende, eigentlich nicht mehr im Buch, sondern auf dem Klappentext, also als wirklich allerletzte Sätze der Lektüre, heißt es über den Autor, mich, auch einen trauernden Angehörigen:

„… derzeit bereitet er mit Kollegen die Gründung einer Tageszeitung vor. Sie soll darüber berichten, was abseits des politischen Berlins wichtig ist.“

„Redaktionsschluss“ von Stefan Schulz

Wer im Netz bis hierhin durchgedrungen ist, kennt das Buch, weiß, wovon hier gesprochen wird, und hat vielleicht schon eingesehen, zumindest aber Kenntnis von der Idee genommen, dass Journalismus nicht viel mit bedrucktem Papier, Formatstarre aus Tradition und seriöser Sprache zu tun hat und erst recht nicht haben muss. Er, der gute Journalismus, braucht nicht einmal die derzeit moderne, morgendliche Newsletter-Hektik. Sogar von Anzeigenkunden kann er lassen. Von Spielberichten und Produktanalysen sowieso. Börsenkurse als seitenlanges Thema? Braucht er nicht. Veranstaltungshinweise auch nicht. Und jemand, der von Indien aus die Frühaufsteher mit den Zitaten der politischen Prominenz vom Vortag versorgt? Das brauchen auch nur wenige, eigentlich nur diejenigen, die es sich einbilden.

Es geht anders. In Deutschland, in den tausenden von Musseen, hunderten von Universitäten, unzähligen Unternehmen, in den Gewerkschaften und sogar im politischen Verwaltungsbetrieb, finden jeden Tag mindestens dreißig Veranstaltungen statt, von denen fast niemand Notiz nimmt – obwohl dort über unsere Gesellschaft verhandelt wird. Sie werden zwar vor kleinem Publikum veranstaltet, aufwendig geplant und sorgfältig durchgeführt – aber sie versenden sich und finden somit doch nicht wirklich statt. Nicht einmal ihre Planer bedenken den Wert der Dokumentation. Diese Veranstaltungen, zumindest manche von ihnen, wollen wir besuchen, um zu berichten, was in der Arbeitswelt, der Elternwelt, der Konsumwelt und in der Freizeitwelt vor sich geht. Wir sind Wähler, Verbraucher, Arbeiter oder Eltern – also Betroffene – und wollen nicht länger so tun, oder uns vorgaukeln lassen, als würde uns allein das nächste Kanzlerinnenzitat schon satt machen.

Was wir für diese kleine Unternehmung bereits haben sind zehn supermotivierte, junge, grundsolide ausgebildete Autoren, die darüber schreiben und diskutieren können, was sie sehen und erleben. Jeder mit einer Freifahrt-Bahncard und Budget für genug Auswärtsübernachtungen um jeden Tag auf Achse, also vor Ort, zu sein. Was wir außerdem haben ist Internet und Ahnung davon, wie man es klug nutzt. Was wir uns einbilden zu haben, ist Publikum – nämlich 25.000 Menschen, die bereit dazu sind, für 4 Vor-Ort-Berichte pro Tag 4 Euro im Monat zu bezahlen. (Es wäre gerade mal jeder hundertste deutsche Student.) Was wir heute schon haben ist die Überzeugung, dass der geschriebene Text noch eine Chance hat gegen die Bewegtbildbeschallung in den sozialen Netzen und gegen die Aufmerksamkeitsausbeuterlogik der neuen Empfehlungskultur.

Wir wünschen uns allerdings das erste Jahr für alle zu schreiben – noch ohne 4-Euro-Paywall. Bevor wir nämlich die Katze im Sack verkaufen müssen, überlassen auch wir den Journalismus lieber der Enttäuschung und Ermüdung. Was wir also suchen sind finanzstarke Herausgeber, die uns eine Million Euro geben, damit wir damit erarbeiten, was alle brauchen – tagesaktuelles Wissen darüber, was in Deutschland vor sich geht, woran gedacht wird, wer da denkt und wohin es führt.

Diese Seite ist trotzdem kein Aufruf zum Crowdfunding. Uns interessiert auch keine Investition von Verlagen oder anderen medienbrachenahen Organisationen. Wir haben grundsätzlich keine ROI-Rechnung aufgestellt, sondern einen Plan, der tagesaktuellen Journalismus im Wochenrhythmus auf Dauer stellen kann – ohne sich auch noch mit historischem Ballast, materieller und ideologischer Art, herumzuschlagen. Bei Interesse an Unterstützung stellen wir das alles und uns gerne im Detail vor.

– Stefan Schulz